Turnier Herford 2025

geschrieben von Emilie Höllriegl

Vorwort

Herzlich willkommen, liebe Tanzsportinteressierte, zum Blog der Tanzsportwelt der Höllriegl‘s.
Ein neu gegründeter Verein ohne praktische Vorerfahrung in der Welt des professionellen Formationstanzsports.

Mit unseren Reportagen möchten wir unsere Turniererfahrungen mit euch teilen und euch somit auf unsere Reise mitnehmen, welche für uns hoffentlich voller erinnerungswürdiger Erlebnisse wird. Hiermit laden wir euch herzlich ein mit den Erzählungen von jungen Tänzerinnen und Tänzern, in eine andere Welt einzutauchen. In das Spektakel, welches man sonst nur voller Glitzer, Glanz und Glimmer kennt. Eine Welt, in der neben Vorfreude, Ehrgeiz und Hoffnung auch Enttäuschungen, Tränen und Kritik Platz haben müssen.

Seid in diesem Text – verfasst und aus der Sicht von der Trainerin selbst, Emilie Höllriegl – mit dabei, als wir an unserem ersten Formationsturnier teilnahmen.
Viel Vergnügen! 

Reportage

Lesedauer etwa 30 Minuten

Alle Bilder hierzu hier.

Sonntag, der 02.02.2025
Treffpunkt an der ADTV-Tanzschule „Die Höllriegl’s“ um 3:30 Uhr morgens.

            Wieder einmal war ich zu spät dran. Was für ein Wunder… Jedoch brauchte es uns alle nicht verwundern, nachdem wir alle so ein hartes Wochenende hinter uns hatten. Blicken wir hierfür doch kurz zurück:
            Am Freitag zuvor, den 31.01.2025 war noch der Abschlussball des Gymnasiums Eschenbach, an dem die eigene Tanzschule für die Umsetzung des Abendprogramms zuständig war. Unser Rock’n’Roll-Formations-Showblock hatte an diesem Abend mit ihrem neuen Motto ihre Premiere und so manch junger Tänzer stand nun zum ersten Mal auf der Fläche.
            So war am nächsten Tag neben der normalen Arbeit abends auch gleich der sagenumwobene Blumenball. Umringt von zahlrechen Blumen begeisterte unsere Latein A Formation mit ihrem neuen Stück WSS das Publikum. Der Abend ging natürlich wie immer bis in die Puppen, auch wenn für über die Hälfte der anwesenden Formationstänzer klar war, dass die Nacht nicht lange sein würde.

Denn viele von ihnen mussten sich noch auf das Turnier vorbereiten. Noch früher aufstehen, um die vielleicht schon bereits gepackten Taschen ein weiteres Mal zu überprüfen, um ja nichts zu vergessen. So erging es zumindest mir. Weshalb ich ziemlich bald im Anschluss des vorherigen Auftritts nach Hause fuhr, um meine Sachen zu packen und meinen zuvor noch besorgten Leihwagen zu beladen. Jedoch, als ich mit diesen Vorbereitungen endlich fertig war, zeigte die Uhr schon 2:30 Uhr morgens.
            „Schlafen brauch ich jetzt auch nicht mehr“, sagte ich noch zu meinem Freund, der sich neben mir auf die Couch flackte. In weniger als einer halben Stunde sollte der Wecker klingeln, damit wir rechtzeitig losfahren würden. „Naja“, meinte er, „Dann lass uns noch was anschauen.“ Er machte den Fernseher an und schaltete unsere Serie her und ehe ich mich versah waren wir beide so mir nichts dir nichts eingeschlafen.

            Erschrocken fuhren wir beide von der Couch hoch, als wir den Wecker schillern hörten. Schon nach 3 Uhr. Verdammt… Erstmal hektisch alles zusammenpacken, alles überprüfen und darauf achten, auch wirklich alles von der zuvor sorgfältig erstellten Packliste mitgenommen zu haben. Übelkeit tritt ein. War ja klar… Typisch hektische Stresssituation. Mein Freund fährt schonmal vor, um den Kindern – meine Bezeichnung für diese Formationstänzer – beim Umräumen zu helfen, während ich erstmal auf meinen tollen Körper klarkommen muss.
            Lange Rede, kurzer Sinn. Kurz nach halb 4 kam ich dann erst los. Weiterhin von Übelkeit geplagt, aber das ließe sich so schnell sowieso nicht mehr ändern. Auf dem Weg zum Studio erstmal ein Reh auf der Straße begrüßt und dann kam ich – wie immer zu spät – auch endlich mal an der Tanzschule an.

            Genervte Aufrufe – hoffentlich nur ausgelöst von der Übermüdung – kamen von meinen Tänzern. Ohne mich durften sie nicht losfahren. Drei davon hätten es auch ohne mich und mein Auto nicht gekonnt. Da wir uns sehr zeitig zum Turnier angemeldet haben, konnten wir uns nicht mehr rechtzeitig um einen Bus kümmern. Eine geeignete Zugverbindung nach Herford gab es nicht. Daher blieb uns nur noch die Option mit dem Auto zu fahren. Bis auf eine Mutter hatten wir leider keine Freiwilligen aus den anderen Formationen überzeugen können, die bereits schon angeschlagenen Tänzer knapp 6 Stunden in den Norden zu verfrachten. Im Gegenteil, der einzige  Tänzer der Formation, der nicht eingeteilt für das Turnier war, meinte auch noch er wäre zu müde und würde lieber wieder heimfahren, anstatt „sinnlos“ mitzukommen, da aufgrund eines Krankheitsfalls sich die Gruppe wieder besser aufteilen ließe. Naja, manchen Leuten kann man nicht helfen.
            Angefressen von der Tatsache, dass wir alle doch selber fahren mussten, sperrte ich das Studio auf, um eine kurze Besprechung im Warmen zu halten. Ich erkundigte mich nach dem Stand der Dinge bezüglich des Packens und eröffnete die Rally nach Herford. Und so fuhren die vier Autos um ca. 4 Uhr morgens los zum ersten Turnier.

Treffpunkt Kreissporthalle Herford um etwa 10 Uhr

            Nach endlosen Stunden Autofahrt kam ich ohne Pause auch endlich mal in Herford an der Kreissporthalle an. Halleluja!
            Kaum angekommen, entluden wir zu viert das Auto und machten uns bepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen auf den Weg zum Sportlereingang. Gefühlte 100 Meilen später fanden wir sowohl den Eingang, als auch eine unserer Autogruppen. Die Anmeldung verlief reibungslos und man erklärte uns geduldig und vor allem – was mir daheim ja immer fehlt – sehr freundlich, wo sich alles befindet und auf was wir schon im Vorfeld achten sollen.
            Während der Erklärung traf die dritte Autogruppe ein. Damit wir aber nicht im Eingang im Weg stehen, nahm mein Freund zusammen mit dem Mannschaftskapitän die bereits eingetroffenen Tänzer zur Umkleide, welche sich auf der anderen Seite des Geländes befand. Ich wartete aufgeregt auf die letzte Gruppe, um auch diese Tänzer einzuchecken. So langsam wurde ich auch wieder wach. Plötzlich stieg in mir die Aufregung und die Vorfreude auf den Tag wuchs in Sekundenschnelle immens an. Man hörte aus den Garderoben nebenan laute Musik ertönen – witzigerweise Disneymusik. Also tatsächlich auch die Lieder, die wir später auf der Fläche tanzen würden. Ein breites Grinsen zog sich über mein Gesicht. Doch als ich voller Neugier um die Ecke zu den Lateinformationen schauen wollte, traf auch schon die letzte der Autogruppen ein.
            Auch bei ihnen war der Check-In schnell abgeschlossen und so machten auch wir uns nun auf den Weg zur Umkleidekabine. Aus der Sporthalle hinten hinaus über eine lange Brücke. Weiter an einem hohen Gebäude vorbei ging rechts von uns eine steinerne Treppe hinab. Diese führte zu den Garderoben, welche für die Standardformationen angedacht waren. Wir restlichen Mitglieder des TSW schritten den langen Gang im Untergrund entlang und fanden nahe der Mitte unsere Umkleidekabine ausgezeichnet mit unserem Mannschaftsfoto an der Tür.

            Darin waren bereits alle am Herumwuseln und machten sich bereits daran, sich für das Turnier vorzubereiten. Damit das nicht im lauten Chaos endete, schloss ich erstmal alle Türen und machte eine kurze Ansprache. Mit Infos, die die Hälfte womöglich vorhin gar nicht mitbekam, lösten sich so manche Fragen in Luft auf. Aufgaben sind verteilt worden und Ziele waren gesetzt. Mädels sollten sich bei den Haaren helfen, bevor sie zu mir zum Schminken kommen würden. Währenddessen sollen die Jungs sich um Simon kümmern.
            Wieso? Weil der arme Kerl am Vorabend erfahren hatte, dass er nicht als seelische Unterstützung nur mitfahren durfte, sondern auch für den plötzlich erkrankten Louis einspringen sollte. Simon, welcher nicht einmal auf derselben Position steht und auch noch nie mit der Frau getanzt hat. Naja, wir haben dann ein paar Positionen getauscht und so kam es, dass die Nummer 1 als Nummer 2 tanzen musste, da Nummer 2 krank war und Simon, welcher ursprünglich nicht eingeplant war nun als Nummer 1 tanzen musste… Typisch Höllriegl’s Chaos :‘)
            Nach einer kurzen Essenspause und ersten Schminkversuchen war es dann aber auch schon so weit für die Stellprobe.

Kreissporthalle Herford um etwa 11 Uhr

            Nervös scheuchte ich die Kinder auf, als ich bemerkte, dass wir so langsam wieder in die Halle mussten. Mit Tanzschuhen und Aufraubürsten in der Hand zogen wir gemeinsam von dannen und fanden uns beim Sportlereingang wieder.
            Heimlich, still und leise betraten die Tänzer zum ersten Mal den Raum, an dem später noch die Post abgehen würde. Laute Musik drang durch die vielen Boxen und man hörte hinter der aufgestellten Wand den Trainer rufen und die Tänzer auf der Fläche ihre Aufschreie brüllen. Im Aufwärmbereich, in dem wir uns befanden, waren wir alleine und da wir noch genügend Zeit bis zu unserer Stellprobe hatten, wärmten sich die Tänzer schonmal auf.
            Die Aufregung und Nervosität stiegen mit jeder Minute an und die Kinder wurden immer ruhiger. Auch mal was Neues. Und dann war es endlich so weit. Beim Mannschaftstausch begrüßte uns das Standard-B-Team des RGC Nürnberg und wünschte uns viel Spaß. Wir bedankten uns und begaben uns auf die Plätze.
            Zuerst gingen wir weitestgehend die gesamte Choreo durch. Knapp 10 Minuten hatten wir dafür Zeit. Zeit, um diese viel zu große Fläche kennen zu lernen. Wie war die Begebenheit? Rutschig oder doch eher stockend? Wie groß musste man nun die Schritte tanzen, da wir in unserer Trainingshalle daheim normalerweise nicht so viel Platz haben. Zusätzlich mussten wir auf die Positionswechsel von Nummer 1 und 2 achten, die nun ihr halbstündiges Training in der Nebenhalle unter Beweis stellen mussten.
            Da dies für jeden Einzelnen von uns das erste Mal war, kann man es am deutlichsten mit einem Wort beschreiben: Chaos. Während der Diskussion über den Ausmarsch, wies uns die Turnierleitung darauf hin, dass wir nun einmal auf Musik tanzen sollten, da dies in den gesamt 15 Minuten Stellprobe mit inkludiert sein musste. Mir blieb also nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass es mit Musik schon irgendwie klappen würde. Was will man auch schon Großartiges von nicht einmal vier Monate Training erwarten.

            Die Tänzer machten sich erneut auf Startposition, unser Kameramann schaltete die Videoaufnahme ein und nachdem die Tänzer einmarschierten, war mein Handzeichen der Start für die Musik.

            Einen Durchgang später schüttelte ich bloß den Kopf und orderte meine Mannschaft von der Fläche. Die neue Anweisung lautete mit dem Mannschaftskapitän zurück zur Kabine zu gehen. Die Mädels sollen ihre Haare fertig machen und die Jungs sollen sich erneut um die Positionswechsel kümmern. Ich schickte die Kinder weg, denn ich musste in der Halle für die Auslosung bleiben.
            Diese fand direkt danach statt. Und nachdem alle anderen Trainer auch eintrafen, begannen wir kurzerhand schon mit der Auslosung. Ich zog die Startnummer 1, welche ich persönlich nicht unbedingt haben wollte, aber im Nachhinein keine schlechte Startnummer war. Nach einem aufmunternden Gespräch zwischen Trainern und Turnierleitung bedankten wir uns alle und gingen zurück zu unseren Umkleiden.

            Dort verkündete ich Geschehenes und machte mich gleich daran, die Mädels fertig zu schminken.

Umkleide 12 Uhr

            Chaos war vorprogrammiert. Doch wir ließen uns davon nicht unterkriegen… Hoffentlich.
            Zumindest gab es einen Plan. Mädchen wurden weitergeschminkt, Jungs probten noch einmal fleißig. Zwar bestand unsere Aufstellung nur aus sechs Paaren, jedoch war es für einen Schmink-Profi wie mich – welcher ich eben nicht bin – kein Leichtes sechs Mädchen so schnell für ein Turnier zu schminken. Ohne Vorkenntnisse und ohne Übung versuchte ich mein Bestes eine alte Vorlage in den jungen Tänzerinnen neu aufleben zu lassen. Mit mehr oder weniger gutem Erfolg. Zumindest hatten sich die Kinder wohl gefühlt und das sei ja das Wichtigste.

            Auf jeden Fall nahm so alles seinen Gang. Die sechs Tänzerinnen verwandelten sich so langsam in Porzellanpüppchen. An dieser Stelle möchte ich mich erneut bei Emilys Mutter bedanken, welche uns sehr stark beim Frisieren und Aufkleben der Wimpern unterstützt hat.
            So verging ganz schnell die Zeit, bis auf einmal die Männer wieder in der Umkleide standen und anfingen sich ebenfalls fertig zu machen. Da wurde mir klar, ich sollte mich so langsam auch um mich selbst kümmern. Also schnell mal umgezogen in meinen schicken hellblauen Anzug, welcher zwar nicht direkt zu den neongrünen Kleidern meiner Tänzerinnen übereinstimmte. Jedoch sollte das Hellblau die Akzente im Kleid, also die Bänder an den Handgelenken und die Strasssteine, repräsentieren.
            Zurück zum Wesentlichen; die Tänzer machten sich fertig und ich mich ebenso. Daraufhin gab es noch eine kurze Ansprache, um etwas Mut zuzusprechen, wobei uns vermutlich allen bewusst war, dass wir alle unter der ansteigenden Nervosität litten. Nichtsdestotrotz machten wir uns auf den Weg zurück zur Halle, um dort auf den Turnierbeginn zu warten.

Kreissporthalle Herford um etwa 13 Uhr

            So rückte der Moment, auf den wir alle warteten, immer näher. Im Wartebereich für die Tänzer angekommen, fieberten wir dem Start des Turniers entgegen. Tanzschuhe wurden endlich angezogen und Aufregung vergeblich abgeschüttelt. Als der Moderator das Turnier eröffnete, wurden die antretenden Mannschaften aufgezählt und durften zur Vorstellung einmal über die Fläche marschieren.
            Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass dies auch für mich als Trainerin mein erstes Mal auf so einer Fläche zu so einem Anlass war. Mein lang gehegter Traum vom Turniertanz mag zwar sich dadurch auch nicht unbedingt erfüllt haben, doch hatte ich nun durch den Ehrgeiz meiner Tänzer den Mut gefasst einige Schritte in diese Richtung zu wagen. Und siehe da, es hat uns auf die Tanzfläche der 2. Bundesliga der Standardformationen Süd/West gebracht. Für eine einst nur Dorftanzschule mit überqualifiziertem Personal wäre das bis noch vor Kurzem undenkbar gewesen. In diesem Moment aber endlich zum Greifen nahe. All die Arbeit, die viele Diskussionen, Wut, Tränen und Zweifel mit sich brachte. Ein Jahr harte Arbeit, die ich und mein gesamtes Team in den Verein gesteckt haben. Nur für diesen einen besonderen Moment.
            Mit breitem Grinsen ging ich mit Stolz angeschwollener Brust, dem Maskottchen im Arm und nicht zu vergessen meiner Mannschaft im Rücken über die Tanzfläche. Und ehe ich mich versah, war dieser magische Moment, in dem sich mit jedem Klatscher des Publikums die Emotionen verstärkten, auch plötzlich wieder vorbei.

Wartebereich etwa 13:20 Uhr

            Zwar waren wir die erste Mannschaft die auftreten sollte, jedoch waren wir auch die Letzten, die sich angemeldet hatten. Daher marschierten wir als letzte Teilnehmer auf und von der Fläche, nur um dann direkt im Wartebereich direkt wieder Platz zu nehmen. Eine weitere Ansprache des Moderators und eine kurze Show der Kindertanzgruppe des veranstaltenden Vereins war abzuwarten, ehe wir erst wieder auf die Tanzfläche durften.
            Erneut stieg die Anspannung bei den Tänzern, was unvermeidbar war. Zwar hatten alle bereits Auftrittserfahrung durch vorherige Formationsauftritte der Tanzschule gemacht. Jedoch birgt ein Showauftritt bei einem Wettbewerb generell mehr Druck und Erwartung. Wir hatten zu Beginn unserer Saison im September 2024 uns das Ziel gesetzt, dass Dabeisein für uns Neulinge erstmal Alles sei, was wir erreichen wollten. Allerdings könnte ich es nicht leugnen, dass in so manchen Tänzern sich auch andere Hoffnung ausbreitete – mich eingeschlossen. Allerdings hieß es erst einmal: Lebend aus dem ganzen Zirkus wieder rauskommen.

            Man kündigte uns an und wir nahmen unseren Platz an der rechten Seite der Tanzfläche ein. Der Jingle für das Turnier litt den Auftakt ein und so begab ich mich begleitet von meinem Freund auf die Fläche. In der Mitte der Tanzfläche hielten wir kurz an, um uns vor dem Publikum zu verneigen und allen voran auch den Wertungsrichtern Respekt zu zeigen. Danach gingen wir weiter zum – ich sag mal – Trainerstuhl, welche die Mitte der Fläche markierte. Dort umarmte mich mein Freund und flüsterte mir noch irgendetwas zu, was ich mir im Nachhinein noch einmal sagen lassen musste. Denn meine Gedanken waren nur noch bei meinem Team. Allen voran Simon, der stampfen musste um seinen Mittänzern zu signalisieren, dass sie nun auf die Fläche gehen sollten. Aber… Hatte ihm das irgendeiner auch gesagt? Denn er sprang ja nur ein für die Nummer 1, welcher nun nicht mehr vorne stand, sondern jetzt als Zweites ging.
            Mit Panik erfasst blickte ich während der Umarmung hinter zum Team, welches immer noch wie gebannt am Tanzflächenrand stand. Mit einem Nicken versuchte ich ihm zu signalisieren, dass er endlich losgehen sollte, bevor sich das Ganze noch länger als die gefühlte Ewigkeit hinzog. Gott sei gedankt hatte er das auch verstanden und stampfte dann. Die Tänzer betraten die Fläche im Gleichschritt. Mit jedem Schritt verkrampften sie sich mehr und ihr Lächeln war – kaum merkbar, aber für mich sichtbar – mit leichter Panik bespickt.
            Ich zählte in meinem Kopf mit. 1 2 3 4. Kopf hoch. Mit einer Geste versuchte ich dies zu vermitteln. 5 6. Tief einatmen. Auch ich musste mich beruhigen. 7 8 stehen. Noch einmal kurz alle Tänzer überprüfen, ob sie auch wirklich stehen. Ja? Gut! Dann hob ich die Hand für die Musik.

            Die ersten Töne erklangen und eine Gänsehaut machte sich über meinen Armen breit. Gott sei Dank muss ich gerade nicht auf der Fläche stehen. Widersprüchlich zu meinem Lebensinhalt, aber darum geht es jetzt erstmal nicht. Ich setzte mich auf den Trainerstuhl, parkte unser Maskottchen auf meinem Schoss und konnte dem Spektakel nur noch zusehen.

            Ich persönlich fand es als Trainer an dieser Position nicht leicht. Wir hatten zwar im Vornherein ausgemacht, dass wir keine Erwartungen haben. Allerdings hat jeder eine gewisse Erwartungshaltung an sich selbst. Und als ihre Trainerin kennt man so die ein oder andere Hoffnung, die in so manch einem Tänzer schlummert. Gerade weil es unser erstes Turnier war, war es für mich schwierig an dieser Stelle ein gutes Maß zwischen der Angst und der puren Freude, welche die zwölf verschiedenen Tänzer in dem Moment ausstrahlten, auszumachen. Gleichzeitig das Team zu motivieren, aber auch sich Fehler zu merken, um später nach der Vorrunde noch einmal darauf zu sprechen zu kommen. Danke hierfür an das moderne Zeitalter, dass wir unsere Auftritte filmen durften.

            Und auf einmal hörte ich den Gong. Das Abschlusszeichen für den Hauptteil der Formation, welcher von den Wertungsrichtern bewertet wird. Das war es schon wieder. Vier Monate hartes Training, sonntags für eineinhalb Stunden, für diese knappen vier Minuten.

            Das Publikum klatschte begeistert. Verwunderung machte sich in mir breit, was aber schnell durch Erleichterung ausgetauscht wurde. Wenigstens den Zuschauern schien es gefallen zu haben. Und so tanzten die sechs Paare meiner Standardformation mit wesentlich mehr Überzeugung ihren Ausmarsch. Das Schlussbild gelang perfekt, was zu noch mehr Applaus führte. Die Tänzer strahlten übers gesamte Gesicht und mir stiegen Tränen in die Augen.
            Mit einem leisen Freuderuf klatschte ich begeistert mit und nickte Kevin zu, damit er den Ausmarsch mit seinen Stampfern signalisierte. Die Tänzer erhoben sich, formierten sich neu und verneigten sich ein letztes Mal vor dem Publikum. Ich machte es ihnen gleich und schloss mich der von der Fläche marschierenden Truppe an.

Kreissporthalle Sportlereingang etwa 13:50 Uhr

            „Wir haben es geschafft, Leute. Wir haben es geschafft!“, verkündigte ich freudestrahlend. Paare umarmten sich und andere diskutierten bereits eifrig über gerade Geschehenes, während wir uns im Bereich des Sportlereingangs sammelten. Ich beglückwünschte die Tänzer für ihre erbrachte Leistung, teilte ihnen aber auch meine Meinung und somit auch Kritik mit. Danach wurden sie freigestellt, was bedeutete, dass sie für sich selbst entscheiden konnten, ob sie den anderen Teams zuschauen möchten oder sich anderweitig beschäftigen wollen.

            Ich an dieser Stelle verlies erstmal das Gebäude und schnappte nach Luft. Neben der schieren Freude, die sich mit Tränen zeigte, übermannten mich höllische Kopfschmerzen. Die sogenannte Frischluftwatschen hatte mir da leider auch nicht sonderlich geholfen. Die Schmerzen und das zeitgleiche Glücksgefühl lösten einen irritierenden Aufschwung an Nostalgie in mir aus, welche mich letztendlich wirklich zum Heulen brachte.
            So entstand das seltene Ereignis, dass ich Gefühle zeigte und vor dem Sportlereingang der Kreissporthalle Herford mich zunächst in Beherrschung wieder üben musste, ehe ich einen Schritt in Richtung meines Teams wagte.
            Doch nach unzähligen Minuten war ich des Stehens leid. So machte ich mich widerwillig und Tränen vergeblich trocknend zurück zu meiner Mannschaft, die sich auf den Zuschauerrängen verteilten. Dort angekommen setzte ich mich zu ihnen und beobachtete leicht paralysiert von den stechenden Kopfschmerzen die anderen Formationsgruppen.
            Früher war ich immer der Meinung, es würde ein immenser Konkurrenzkampf unter den Formationstänzer herrschen. Dass man sich nur um sich selbst kümmerte und herumstolzierte, als wäre man der größte Tanzgott. Aber tatsächlich wurde ich eines Besseren belehrt. Schon zu Beginn des Turniers waren alle Tänzer nett und höfflich zu uns gewesen. Während wir einfach unheimlich viel Respekt der ganzen Sache entgegenbrachten – da wir nicht wussten, worauf wir uns eingelassen hatten – hatten uns das gesamte Team von Herford und auch die Teilnehmer herzlich aufgenommen. Es bestand kein Stress, kein Hass und keine Wut unter den Tänzern. Im Gegenteil, man feuerte sich gegenseitig an, rief positive Zurufe rein und half sich auch untereinander. Ein positiver Wettkampfgeist breitete sich aus, sobald ein Team die Tanzfläche betrat. Natürlich strahlten die meisten Tänzer eine Aura aus, die ein starkes Selbstbewusstsein vermutete. Aber von Hochnäsigkeit war hier lange nicht die Rede. Ich meine… Wer weiß, wie die Personen tatsächlich sind oder auch unter-einander mit einem umgehen. Aber der gegenseitige Respekt an Kollegen und eigentlicher „Konkurrenz“ war trotz einer Wettbewerbssituation immer noch vorhanden.
            Das stimmte mich überaus glücklich. Ich hatte schon Bedenken, dass wir allein aufgrund unseres fehlenden Selbstbewusstseins stark unterlegen wären. Aber die positive Einstellung, die uns Alle entgegenbrachten, baute jeden Einzelnen von uns auf. Das machte sich auch im Auftritt der Vorrunde bemerkbar.

Zuschauerränge etwa 14:30 Uhr

            Als alle sechs Teams mit ihren Darbietungen fertig waren, wurde eine kleine Pause eingelegt. Diese nutzten die Turnierleiter um die Ergebnisse der verschiedenen Wertungsrichter zusammenzufassen und die Formationen in verschiedene „Leistungsklassen“ erneut einzuteilen. So haben alle in diesem Fall die Möglichkeit ein Finale zu erreichen, da nun zwischen den vier Besten und dem Rest unterschieden wurde.
            Ziemlich schnell erfolgte auch die Bekanntgabe, welches Team in welches Finale einzog. So erreichten wir das sogenannte „Kleine Finale“ und kämpften gegen die Formation aus Kassel um die Plätze 5 und 6.
            Direkt im Anschluss fand auch die Auslosung der neuen Startreichenfolge statt. Da ich weiterhin unter starken Kopfschmerzen litt, schickte ich den Mannschaftskapitän los, uns eine Startnummer per Losverfahren zu ziehen. In der Zwischenzeit vergab ich erneut Anweisungen, welche nach einstimmigem Zuspruch lautete, dass sich die Tänzer ihren Auftritt in der Vorrunde einmal anschauen mussten. Ein Dank nochmal an unseren hinzugestoßenen freiwilligen Helfer, der extra für diese knapp 6 Minuten Show mit Ein- und Ausmarsch die Videoaufnahme machte.

            Da wir wegen nicht einmal mehr 30 Minuten Pause nicht mehr zur Umkleide wollten, machten wir unsere Videoanalyse direkt auf den Zuschauerrängen. Dafür diente ich als Handyhalterung, damit auch alle Tänzer die Aufnahme betrachten konnten.
            Im Anschluss daraufhin traf auch der Mannschaftskapitän mit der Startnummer wieder ein. Erneut sollten wir als Erstes auf die Fläche. Meiner Meinung nach das bessere Los, aber wir würden sehen. Danach bezog ich Stellungnahme zu der in der Vorrunde geschehenen Fehler und wies daraufhin, dass nun in der freien Zeit, die die Tänzer nun hatten, erneut eine bestimmte Stelle geübt werden musste. Einige Jungs verließen daher die Ränge, um diese Passage ein weiteres Mal durchzusprechen. Eine Tänzerin wollte ihr Kleid wechseln, da sie sich unsicher bezüglich der Länge war. Gott sei Dank hatte ich bereits so eine Vorahnung und hatte alle Ersatzkleider mitgenommen. Nachdem ich sie mit meinem Autoschlüssel losschickte machte ich an dieser Stelle ein kurzes Nickerchen aufgrund der nicht enden wollenden Schmerzen in meinem Kopf.

Zuschauerränge etwa 14:55 Uhr

            Kurze Zeit später wurde ich bereits vom Mannschaftskapitän angesprochen, dass es bald weitergehen würde. Ich raffte mich widerwillig auf und sammelte meine Tänzer ein. Wir begaben uns erneut zum Aufwärmbereich und machten uns langsam wieder warm.
            Müdigkeit machte sich unter uns breit und man merkte plötzlich, jetzt da die große Angst, Anspannung und das Adrenalin wegfielen, wie kaputt wir von dem harten Wochenende wirklich waren. Ich klatschte mir auf die Backen und versuchte somit mich wieder richtig wach zu bekommen. Jedoch war das leichter gesagt, als getan.

            Ein paar Gespräche unter den Formationstänzer später war es nun so weit. Wir stellten uns erneut auf und warteten darauf, dass es endlich weitergehen würde. Doch das zog sich unerwarteterweise in die Länge.
            Plötzlich stand der Moderator auf der Fläche und kündigte uns an. Ohne erneut mit meinen Tänzern zu sprechen, begab ich mich leicht hektisch an den Rand der Fläche. Ich wollte nicht, dass es wegen uns zu Verzögerungen kommt. Der Moderator schenkte uns ein Lächeln, als wir am Flächenrand ankamen. Ein Jingle hätte spielen sollen, jedoch kam keiner. Leicht verunsichert, blickte ich nach hinten, um zu überprüfen, ob meine Tänzer überhaupt hinter mir standen. 1 2 3 4 5 6.  Ja. Alle Paare waren da. Warum spielte dann der Jingle nicht?
            So zog ich an der Hand meines Freundes, welcher mich über die Tanzfläche begleiten sollte. Egal, dann gehen wir einfach mal los. Aber dann spielte schon der Jingle. Erleichtert blickte ich zum Moderator, der uns nun Platz machte. Wir betraten die Fläche und gingen ein weiteres Mal in die Mitte. Stille machte sich in der Halle breit. Der Moderator nutzte den Moment um das Publikum noch einmal anzuheizen und bat um einen Applaus für uns. Wir verneigten uns und dann brachte mich mein Freund bereits zum Trainerstuhl. Wieder umarmte er mich und meinte, dass es auch dieses Mal gut funktionieren würde. Ich gab Simon ein Zeichen zum Betreten der Fläche und so begann unser Auftritt in unserem ersten kleinen Finale.

            Bereits der Einmarsch war mit Fehlern bespickt, was sich natürlich mental auf die Tänzer auswirkte. Ich versuchte mit einem herzlichen Lächeln ihre Sorgen zu verjagen, jedoch achtete keiner von ihnen auf mich. Sehr konzentriert und gleichzeitig auch gar nicht bei der Sache. So wirkten die zwölf Tänzerinnen und Tänzer, als sie auf die Fläche marschierten und sich auf ihre Position stellten. Der Unterschied zwischen Vorrunde und nun machte sich allein schon in der Ausstrahlung klar. Ich atmete schwer aus. Das kann ja was werden.
            Ich gab das Zeichen für die Musik und schon erklangen die ersten Töne. Auch der Anfang wirkte wesentlich müder und unkonzentrierter als zuvor. Auch ich spürte, wie mir die Kraft fehlte, mein Team weiter anzufeuern. Doch da mussten wir alle jetzt durch. Wenn wir nun schonmal hier waren, mussten wir auch unser Bestes geben.
            Ab der Hälfte zum Quickstep hin ließ ihre Performance erneut nach. Mit der Pose im Langsamen Walzer versuchte ich erneut mit meinen Tänzern Blickkontakt aufzubauen und sie zu motivieren, für den kommenden letzten Part ihres Stücks noch einmal Alles zu geben. Doch meine imaginäre Stimme schien nicht wirklich bei ihnen angekommen zu sein.
            So vertanzten sie sich erneut leider sehr stark im Bewertungsteil und kamen mehr oder weniger mit Ach und Krach zu einem Ende. Das Publikum klatschte bei der Endpose. Ebenso tat ich es – einfach um meinen Unmut nicht zum Ausdruck zu bringen. Dann ertönte bereits das Aufstampfen und die Tänzer richteten sich auf zum Verneigen. Ich tat es ihnen gleich und dreht mich zum Publikum um. Unwohl fühlte ich mich bei der Verneigung. Meine Gedanken sprangen hin und her: Habe ich wirklich das Recht, mich für so eine Performance meiner Tänzer zu verneigen? Oder sollte die Verbeugung eher als Entschuldigung angesehen werden. So nach dem Motto: Verzeihung, dass ihr euch unseren Amateurkram auf unterstem Niveau antun musstet. Unsicherheit breitete sich in mir aus und ich bemerkte die Röte, die das in meinem Gesicht deutlich zur Kenntnis bringen wollte.

            Hastig verließ ich hinter meinen Tänzern die Fläche und scheuchte sie Richtung Ausgang. Von dort aus machte ich kurz die Bemerkung, dass wir zurück in die Halle mussten, da das Ergebnis direkt nach dem Auftritt des Kasseler Teams bekannt gegeben werden würde. So gingen wir über den Wartebereich wieder zu den Zuschauerrängen und verfolgten gespannt die Show von Kassel.

Zuschauerränge etwa 15:15 Uhr

            Danach ging es ganz schnell. Kassel ging von der Fläche und die Wertungsrichter machten sich bereit ihre Platzierungen zu verteilen. Anders als in der Vorrunde, wurde hier nun offen bewertet.
            Bei einer offenen Wertung darf jeder Wertungsrichter alles gleichzeitig bewerten. Somit entscheidet jeder Wertende für sich, auf welcher Platzierung sie die soeben tanzenden Formationen sehen. Demnach halten die Wertungsrichter Schilder hoch, auf denen die Zahlen 1 oder 2 stehen – zumindest hier im kleinen Finale.

            Und so war es endlich nun soweit. Der Moment war gekommen, an dem sich nun zeigen würde, wie wir die letzten vier Monate gearbeitet hatten. Eine Bewertung mit der Aussage, ob es Platz nach oben gäbe oder ob wir bereits gute Arbeit geleistet hätten.
            Ich persönlich bin vom Schlimmsten ausgegangen. Allein die Tatsache, dass wir in einem kleinen Finale teilnehmen durften, war für mich schon das Höchste der Gefühle. So viel hatte ich uns nicht zugetraut… Nein, vielleicht mag das die falsche Aussage sein. Eher hatte ich so viel dem System nicht zugetraut. Dass eine komplett neue Gruppe ohne Hintergrund und ohne Namen bereits bei den „Großen“ mitspielen durfte. Das war eher das, was mich berührte.

            So haben sich die fünf Wertungsrichter nun auf der Fläche breit gemacht. Der Moderator bat um die Wertung unserer Formationsgruppe. Die Spannung stieg und wir hielten alle die Luft an. Ein Werter nach dem Anderen hob sein Schild und folgende Zahlen konnte man lesen. 1, 2, 2, 1… Die Letzte haderte einen Moment. Ich geriet ins Stocken. Bereits jetzt ein viel zu gutes Ergebnis. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Ein Lächeln zog sich über mein Gesicht. Und dann hob auch die letzte Wertungsrichterin ihr Schild hoch.
            Doch nur eine weitere 2 zeigte sie dem Publikum entgegen. Das Team hinter mir fiel in sich zusammen. Ich grinste weiter. Zwei der fünf Wertungsrichter haben uns bereits als würdig genug empfunden, uns auf dem fünften Platz zu setzen. Das war eine fantastische Aussage. Nach alldem, was wir in der Vorrunde gesehen hatten, dachte ich, man würde auf uns zukommen und uns bitten wieder die zweite Bundesliga zu verlassen und es mit dem Turniertanz bleiben zu lassen. Aber dass es doch keinen so großen Unterschied mehr zwischen zumindest Kassel und uns geben sollte, das hätte ich niemals erwartet.

            Die Wertung für Kassel war danach eindeutig. 2, 1, 1, 2, 1. Und so freuten sie sich über ihren fünften Platz. Auch wenn wir dadurch letzter waren, war es dennoch kein Verlust für mich. Ich hoffte, das dachten die Anderen ebenso…

Zuschauerränge/Sportlereingang etwa 15:30 Uhr

            Ich stand auf und mir taten es die Anderen gleich. Ich scheuchte sie Richtung Sportlereingang, um über das Ergebnis in Ruhe mit allen reden zu können. Dort angekommen waren sie alle bereits eifrig am Diskutieren über ihre Leistung. Wobei wir dann in ein anderes der antretenden Teams reinrannten und sie bei ihren Vorbereitungen störten. Peinlich berührt, versuchte ich die Situation zu händeln, welche ich nicht ansatzweise mit meiner kleinen Größe (1,55m) zwischen den vielen großen Tänzern (Durchschnitt 1,75m) überblickte.
            Nichtsdestotrotz fanden wir einen halbwegs geeigneten Ort, an dem wir uns dann ernsthaft unterhalten mussten. Erst wollte ich mich über das Ergebnis freuen und gleichzeitig mich über ihre Leistung im kleinen Finale beschweren, doch dann blickte ich in die müden und verzweifelten Gesichter und verwarf meinen Anschiss. „Wie habt ihr diesen Auftritt empfunden?“, fragte ich in die Runde. Tiefe Seufzer kamen mir entgegen und eine Dame fing bereits fast zum Weinen an. Sie entschuldigte sich gleich darauf für ihre Fehler, doch sie war ja bei Weitem nicht die Einzige mit einer, sagen wir mal, nicht so guten Leistung, wie sie es sonst auch immer gebracht hätten. Die anderen Tänzer fingen daraufhin an, ebenfalls ihre Fehler aufzuzählen und ich war erstaunt, dass ihnen so viel bereits selber aufgefallen ist.
            Um zu einem Abschluss zu kommen, habe ich dann die Truppe rangenommen. „Nach dem langen Wochenende war es eigentlich abzusehen, dass wir unsere Leistung nicht halten können. Schließlich sind wir Anfänger und brandneu bei dem Ganzen dabei“, ließ ich die Bemerkung fallen, „Wir waren nun dabei. Das war alles, was wir wollten und das haben wir auch erreicht. Meiner Meinung war das Ergebnis besser als ich nach so einem Auftritt erwartet hätte. Jetzt haben wir bereits einen Einblick in alles bekommen und können uns so auf die nächsten beiden Turniere der Saison etwas besser vorbereiten.“

            Die Tänzer waren von meiner Aussage geringfügig erleichtert. „Aber“, fügte ich hinzu, „Ihr wisst nun haargenau wie das nächste Training ablaufen wird, hoffe ich!?“ Diese Art von Drohung winkten sie alle nur ab. Als ob es ihnen sowieso bewusst war, dass sie nun mehr an sich arbeiten mussten, um später irgendwann wirklich etwas zu erreichen.

            Etwas entspannter gingen wir zurück zu den Zuschauerrängen und beobachteten den Rest des großen Finales. Fantastische Formationsgruppen zeigten jetzt noch besser ihre Choreografien. Als wäre die Vorrunde nur ein Aufwärmen für sie gewesen.
            Die Müdigkeit übermannte uns und wir fieberten alle ohne respektlos zu wirken der Bekanntgabe der Platzierungen entgegen. Denn danach würde die Siegerehrung stattfinden und wir dürften danach endlich wieder heimfahren. Zwar hätten wir das im Anschluss folgende Lateinturnier mitansehen dürfen. Jedoch waren wir alle zu gerädert von diesem anstrengenden Wochenende und nach dem Aufräumen der Kabinen stand die knapp sechsstündige Autofahrt uns ebenfalls noch bevor.

            Nachdem alle Formationstruppen ein weiteres Mal ihr Bestes gegeben hatten, gab man auch rasch die Ergebnisse bekannt. Düsseldorf siegte, während Darmstadt-Mainz ihr A Team knapp am Sieg vorbeizog. Nichtsdestotrotz freuten sich alle Formationen über ein erfolgreiches erstes Turnier in der Saison und so wurde bereits die Siegerehrung eingeleitet.

Tanzfläche etwa 15:45 Uhr

            Alle Teams begaben sich ein letztes Mal auf die Fläche, um sich ihren wohlverdienten Applaus abzuholen. Auch wir standen langsam von unseren Plätzen auf. Es herrschte ein kleines Chaos zwischen den jubelnden Teilnehmern und Trainern im Wartebereich. Irgendwann zog dann die erst Formation über die Fläche. Die anderen aus dem großen Finale folgten ihnen. Wir ließen die Zuschauerränge hinter uns und versuchten uns ebenfalls einen Platz auf der Fläche zu sichern.

            Allesamt klatschten wir im Takt zur Musik und warteten auf die Schlussworte des Moderators. Eine weitere Person stand neben ihm, um eine Urkunde zu überreichen. Demnach legte ich das Maskottchen ab und wartete darauf, was nun passieren möge.
            Wir wurden ausgerufen und man gratulierte uns für den sechsten Platz als Newcomer in der 2. Bundesliga. Die Dame kam mir entgegen und überreichte mir eine Urkunde mitsamt einem kleinen Präsent in Form von einer großen Box voller Gummibärchen.
            Der Reihe nach bekamen dann auch die anderen Trainer ihre Urkunde. Das Publikum brachte jedem Einzelnen viel Applaus entgegen. Wie gelähmt, wusste ich nicht, wohin mit den vielen Sachen. So drückte ich dem Pärchen hinter mir die Urkunde und Gummibärchen in die Hand. Mein Freund hatte bereits die Plüsch-Erbsen wieder aufgehoben und klatschte nun mit mir im Takt.

            Nachdem der Sieger des Turniers sich vor dem Publikum ausgiebig verneigte, gingen die Trainer umher und gratulierten sich gegenseitig für diesen fairen Wettkampf. Mein Freund schubste mich regelrecht in ihre Richtung, sonst wäre ich gar nicht von der Stelle fortgegangen und man hätte mich locker übersehen können.
            So machte ich ebenfalls meine Runde, wenn auch weiterhin sehr unsicher und eilte zurück auf meinen Platz, um der Peinlichkeit zu entkommen. Ich wollte nur noch nach Hause. Die Kopfschmerzen hatten immer noch nicht nachgelassen, daher wäre ich sehr dankbar gewesen, wenn das alles nun schnell über die Bühne gegangen wäre. Aber es war wiederum auch ein magischer Moment mit so vielen Tänzern, Trainern und Gleichgesinnten auf derselben Fläche stehen zu können. Endlich da, wo ich schon immer sein wollte.

            Die erste Truppe verlies die Tanzfläche und wir machten es ihnen nach ein paar Gruppenfotos gleich. So begaben wir uns zu unseren Sachen im Aufwärmbereich zurück, zogen uns die Schuhe um und Jacken wieder an und verließen die Sporthalle.

            Zumindest die Frischluft tat gut. Der Weg zur Umkleide streckte sich in die Länge und das Getümmel an Tänzern wirkte nach Außen wie ein bunter Haufen mit ihren farbig aus der Natur herausstechenden Kleidern. Während die anderen Gruppen lauthals lachten und miteinander witzelten, gingen meine Tänzer recht stumm zur Ankleide. Die fahlen Gesichter und müden Augen, die ich beim Treppenabstieg erblickte, sagten mir, dass es schlussendlich Zeit war heimzukehren.

Umkleidekabine etwa 16:15 Uhr

            „Also…,“ begann ich ein weiteres Gespräch als wir in der Umkleide endlich ankamen, „Ich weiß ja nicht, was ihr noch so geplant habt. Aber ich will nach Hause. Ihr könnt gerne noch das Lateinturnier anschauen. Klärt das mit euren Fahrern ab und gebt mir Bescheid. In der Zwischenzeit räumen wir langsam mal die Umkleide auf.“
            Wie gesagt, so getan. Das Aufräumen ging für die Meisten schneller als erwartet. Begleitet vom herabrieselnden Wassergeräusch aus der benachbarten Waschkabinen hörte man die darin duschenden Männer einer der Formationen Blödsinn machen. Wir lachten uns gelegentlich ins Fäustchen bei so manchen Kommentaren, die unüberhörbar laut herausgebrüllt wurden. „Jeder, der fertig mit Packen ist, darf Steinchen sammeln oder draußen warten“, ergänzte ich, nachdem der Geräuschpegel sich wieder zu senken schien.

            Die Hälfte der Tänzer ging auf den Gang hinaus und so gab es schnell einen besseren Überblick. Während noch ein paar Mädels bereits die falschen Wimpern entfernten, packte ich die im kompletten Raum verteilte Schminke. Draußen liefen andere Formationsmitglieder aufgewühlt hin und her.

            Nachdem nicht mal mehr ein Drittel meiner Tänzer in der Umkleide noch waren, warf ich draußen noch einmal den Kommentar ein, die Toiletten ein letztes Mal aufzusuchen, bevor die Heimreise beginnen würde. Dadurch schindete ich nochmal Zeit, auch mein eigenes Zeug zu packen und in den Gang zu stellen. Ich verteilte meine Sachen an verschiedene Träger und so wurde die Umkleidekabine ruckzuck blitzeblank sauber hinterlassen. So ging ich ein letztes Mal alles durch, um ja nichts zu vergessen. Aber anscheinend hatten wir bereits alles eingesteckt.

            Draußen am Gang war die Hölle los. Wir waren anscheinend nicht die Einzigen, die vorhatten, nach Hause zu fahren. Um dem Stress zu entkommen, scheuchte ich meine Leute Richtung Ausgang. Dort angekommen hielt ich eine kurze Besprechung mit den Fahrern. Anscheinend wollten alle nach Hause. Keiner machte Anstalten noch das folgende Turnier mitanzusehen. An sich schade, aber nach Allem was passiert war und was noch vor uns liegen würde, war das mehr als selbstverständlich.

Kreissporthalle Gelände etwa 16:45 Uhr

            So machten wir uns auf zum Parkhaus. Ich gab meinem Freund meinen Autoschlüssel, da alle Mädels ihre Kleider zu mir einladen mussten. Ich selber hatte fast vergessen, meine Unterlagen und Musik wieder von der Turnierleitung zurückzufordern. Daher musste ich erneut in die Sporthalle.
            Am Eingang meinten die Herren vom Anfang nur, ich müsste mich drinnen melden. Drinnen bei der Organisation meinten sie, ich müsse mich draußen melden. Haha, wie auch immer. Sie haben die Situation schnell geregelt und mir alles wieder zurückgegeben.

            Im Anschluss darauf ging ich ebenfalls zum Parkhaus. Dort waren bereits alle Kleider verstaut und die ersten Autos schon abfahrbereit. Auch meine Mitfahrer machten es sich im Leihwagen bereits bequem und so ging das Turnier auch wieder sehr schnell vorbei.

Autofahrt Beginn etwa 17 Uhr

            Ich fuhr noch zur gegenüberliegenden Tankstelle, die unerwarteterweise wesentlich günstiger war, als daheim, wo die Preise immer durch die Decke gehen. Schnell vollgetankt, tauschten der Mannschaftskapitän und ich die Plätze, damit ich mich auch einmal entspannen konnte.
            Mit den immensen Kopfschmerzen, die nicht aufzuhören schienen, wollte ich nicht nach Würzburg fahren. Daher übernahm er die Rolle des Fahrers. Doch weit kamen wir nicht sonderlich. War bereits der erste Stau aufgrund eines brennenden PKWs der Grund für Verzögerungen. Auch wenn sie alle im Auto noch eifrig diskutierten über das Geschehen, schlief ich irgendwann mal ein.

            Als ich wieder aufwachte, fuhren wir an einer Raststätte raus. Ich sollte das Ruder wieder übernehmen, da auch dem Kapitän die Augen zufielen. Blickte auf die Uhr, dann aufs Navi. Nicht mehr lange und wir würden in Würzburg ankommen. Naja, was soll’s. Daraufhin tauschten wir die Plätze.

            Irgendwann kamen wir dann endlich in Würzburg an. Mit einem Tanzlehrerkollegen hatte ich mich an einer Raststätte verabredet, um ihn die soeben eingeladenen Formationskleider zu überreichen. Er brauchte sie für einen Auftritt in wenigen Tagen und hatte sie zuvor schon einmal ausgeliehen. Ursprünglich hätten wir diese Kleider auch gar nicht gebraucht. Aber wie das Schicksal so wollte, hatte es wie immer eine Überraschung parat.
            So geschah es, dass wir uns fast perfekt auf die Minute wie ausgemacht trafen und wir uns nach kurzem Gespräch ans Umladen machten. Danach stiegen alle wieder ins Auto ein und waren heilfroh, dass es zügig weiterging.

            Kurz nach 10 Uhr nachts müsste das gewesen sein. Nun ging es Richtung Nürnberg, wo wir den Mannschaftskapitän bei sich daheim abladen mussten. Endlos zog sich die Strecke mit den vielen Baustellen auf der A3 bis wir endlich da waren.
            Einen kurzen Blick in sein Zuhause durften wir dann auch noch werfen, was für uns drei Damen alle eine Premiere war. Viele Gespräche und Erklärungen später machten wir uns dann nur noch zu dritt auf den Weg nach Hause.

            Erstmal wieder auftanken, was nicht so funktionierte, da keine Tankstelle mehr offen hatte, die wenigstens angemessene Preise hatte. Dann auch noch verfahren. Irgendwann haben wir es dann wieder auf die Autobahn geschafft. Auch diese Zeit zog sich endlos hin. Erst dachte ich würde den Rest der Strecke noch mit dem wenigen Tank schaffen, doch dann musste ich wohl oder übel doch noch zu einer Raststätte rausfahren.
            Für viel zu viel Geld tankte ich genügend ein, so dass wir es wenigstens alle noch bis nach Hause schafften. Eine Mitfahrerin fuhr ich heim, die Zweite lud ich bei ihrem Auto am Studio ab. Lachend und weiterhin mit Schmerzen im Kopf verabschiedeten wir uns voneinander und wir fuhren nach Hause.

            Daheim endlich angekommen, schnaufte ich erst einmal durch. Über sechs Stunden Autofahrt lagen hinter mir und ich würde mich nun endlich ausruhen können. Zumindest ein bisschen.
            Ein kurzer Blick aufs Handy verriet mir, dass alle heil zu Hause angekommen waren. Auch ich benachrichtigte die Gruppe von meiner Ankunft. Dann stieg ich aus und klemmte alles Nötige zwischen meinen Armen rein. Den Rest würde ich am nächsten Tag ausladen. Vielleicht…

            Jetzt hieß es erst einmal: Schlafen gehen. Morgen ruft wieder die Arbeit. Und dann werden wir schon sehen, wo unsere Reise uns als nächstes hinbringen wird.

Formationsturnier Herford: Erinnerungen an ein tolles Event

Das Formationsturnier in Herford hat durch spannende Auftritte, tolle Teamarbeit und unvergessliche Erlebnisse bleibende Erinnerungen geschaffen, die uns noch lange begleiten werden.

Alle mit * markierten Bilder wurden vom Fotografen Christoph Goeker erstellt

Ein Blick in die Kabine

Wartebereich

Die Spannung steigt

Fertig machen für den Einmarsch

Vorrunde Hauptteil

Siegerehrung

Siegerehrung*

Siegerehrung

Unsere neue Nummer 2 😀

Alle mit * markierten Bilder wurden vom Fotografen Christoph Goeker erstellt

Emilie Höllriegl

Autor

„Wir waren nun dabei. Das war alles, was wir wollten und das haben wir auch erreicht. Meiner Meinung war das Ergebnis besser als ich nach so einem Auftritt erwartet hätte. Jetzt haben wir bereits einen Einblick in alles bekommen und können uns so auf die nächsten beiden Turniere der Saison etwas besser vorbereiten.“